BMW 320d und VW Passat 2.0 TDI: Starke Diesel auf Augenhöhe?
Drehen wir das Rad der Zeit doch einmal um 20 Jahre zurück: Anno 1992 glänzt der VW Passat B3 mit üppigem Innenraum und einer Front ohne Kühlergrill. Antriebsseitig reicht das Angebot vom 68-PS-Saugdiesel bis zum immerhin 174 PS starken VR6-Benziner. Trotzdem kommt es den Wolfsburgern nicht in den Sinn, sich an der teuren Mittelklasse-Konkurrenz aus München zu messen. Dort hat man zu dieser Zeit den E36 im Programm, die dritte Generation des BMW 3er. Der bietet zwar weniger Platz, beeindruckt dafür aber mit den markentypischen Fahrwerksqualitäten und einer Leistungsspanne von 90 bis weit über 300 PS. Der biedere VW Passat, ein ernsthafter Rivale? Niemals!
Zeitsprung: Im Jahr 2012 kämpft der VW Passat auf Augenhöhe mit BMW 3er und Co. Neben dem Platzangebot genügen heute auch Materialien und Verarbeitungsqualität gehobenen Mittelklasse-Ansprüchen. Da verwundert es wenig, dass der Niedersachse – seit jeher kein Sonderangebot – auch preislich in den letzten Jahren der Premium-Konkurrenz nahe gekommen ist: Gut 35.000 Euro kostet heute ein BMW 320d ohne Extras, der Passat liegt mit dem 170 PS starken 2.0 TDI "nur" noch 3.000 Euro entfernt. Der Schnäppchenfaktor kommt vor allem dann zum Tragen, wenn man die Ausstattungen der beiden Kandidaten angleicht.
VW Passat 2.0 TDI DSG ist hier konservativer
Seit dem großen Facelift Ende 2010 macht der mittlerweile 4,77 Meter lange VW Passat auf edel und bietet den etablierten Nobelmarken in Highline-Ausstattung (Aufpreis 2.350 Euro) durchaus Paroli: Dekoreinlagen aus Edelholz und Aluminium werten den Innenraum ebenso auf wie die mit Glatt- und Alcantaraleder bezogenen Sitze.
Im 15 Zentimeter kürzeren BMW 320d Automatik sind die edlen Bezüge unabhängig von der Ausstattungslinie aufpreispflichtig – Vorteil VW. Dafür geben die Sportsitze des Bayern im Vergleich zum bequemen Komfortgestühl des VW Passat 2.0 TDI DSG mehr Seitenhalt und erzeugen gemeinsam mit dem griffigen Leder-Sportlenkrad jenes "Eins-mit-dem-Cockpit"-Gefühl, das BMW-Freunde so schätzen. Technische Gimmicks des BMW 320d Automatik wie das Head-up-Display (980 Euro), der i-Drive-Controller oder der aufteilbare Zusatzbildschirm für diverse Statusdaten steigern das Vergnügen des Fahrers weiter.
Der VW Passat 2.0 TDI DSG ist hier konservativer und bietet mit einem Touchscreen-Festplatten-Navi (2.055 Euro) das Business-Standardprogramm. Dafür gilt bei ihm dank der stärker tastengestützten Bedienung die Devise "einsteigen und losfahren".
Passat-Diesel hält sich akustisch vornehm zurück
Gesagt, getan. Der VW Passat 2.0 TDI ist gut gedämmt und hält sich akustisch vornehm zurück – auch ein Verdienst des Sechsgang-DSG: Bei Teillast hält es brav die Drehzahlen niedrig. Nur wenn der Fahrer mehr Leistung anfordert, schaltet das Doppelkupplungsgetriebe blitzschnell und ruckfrei zurück und lässt die Gummis an der Vorderachse schuften – bei Nässe oftmals vergeblich. Trotzdem sind am etwas glatten Passat-Volant keinerlei Antriebseinflüsse zu spüren.
Diese sind beim heckgetriebenen BMW 320d Automatik naturgemäß ebenfalls kein Thema. Seine sanft schaltende Wandlerautomatik bietet zwei Fahrstufen mehr als das VW-Getriebe und ermöglicht im Normzyklus sehr gute Verbrauchswerte. Der 14 PS und 30 Newtonmeter stärkere BMW-Vierzylinder kann sein Antriebsprinzip allerdings weniger gut verhehlen als der VW-TDI. Dafür beschleunigt er den 1,6-Tonner eine Sekunde schneller auf Tempo 100 und bietet insgesamt die größeren Spurtreserven.
BMW 320d Automatik bietet mehr Fahrdynamik
Auch querdynamisch macht dem BMW 320d Automatik keiner etwas vor: Dank perfekter Achslastverteilung und der wunderbar direkten Sportlenkung (450 Euro) saugt der BMW 3er Kurven förmlich auf und liegt auch bei hohen Tempi neutral – da kann der kopflastige VW Passat nicht mithalten. In bewusst schnell angegangenen Kurven neigt er gutmütig zum Untersteuern und wird vom ESP sanft eingebremst – da helfen auch die extrabreiten 235er-Reifen nicht. Im Gegenzug bietet der VW mit seinem variablen Dämpfersystem DCC (1.085 Euro) eine äußerst gelungene Fahrwerksabstimmung, die – anders als beim insgesamt strafferen BMW 320d Automatik – auf Komfort ausgelegt ist.
Apropos Komfort: Im VW Passat gibt es trotz des kürzeren Radstandes mehr Raum für die Insassen, was sich vor allem bei der Beinfreiheit auf der Rückbank bemerkbar macht. Beim Gepäckraum (565 Liter) hält er den BMW (480 Liter) ebenso auf Distanz wie in den Disziplinen Zuladung und Anhängelast. Beide Limousinen bieten umklappbare Rücklehnen hinten (im BMW 3er dreigeteilt, Aufpreis 490 Euro), die vom Kofferraum aus fernentriegelbar (BMW) beziehungsweise sogar fernklappbar (VW) sind.
BMW 3er mit Verbrauchsvorteil
Bleibt noch das Thema Verbrauch: BMW ist mit dem Zweiliter-Diesel ein hocheffizienter Motor gelungen, der in Verbindung mit der Achtgang-Wandlerautomatik (hier in der Sportausführung) problemlos und regelmäßig Verbrauchswerte unter sieben Liter pro 100 Kilometer erzielt. Dem kultivierteren und grundsätzlich ebenfalls sparsamen VW Passat 2.0 TDI DSG bleibt hier nur der zweite Rang – aber auch die Gewissheit, ein echter Siegertyp zu sein. Und das nicht nur, weil er 2.930 Euro weniger kostet.
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